Die Welt aus den Angeln von Philipp Blom

Nach 1500 fing auf der Erde eine sogenannte Neben-Eiszeit an und dauerte ca. 150 Jahre. Der engere Zeitraum ist ungefähr von 1580 - 1650. Die durchschnittlichen Temperaturen wurden kälter, verstärkt auch durch Vulkantätigkeiten und Asche-Ausstoß. 1594 war der Hafen von Marseille im April zugefroren - das ist im Mittelmeer! In London gab es regelmäßig Märkte auf dem Themse-Eis, manchmal bis in den April.

Vor dieser Klima-Änderung, beschrieben in Philipp Bloms Die Welt aus den Angeln, war die menschliche Gesellschaft relativ statisch. Es war unmöglich, durch Reichtum seinen sozialen Stand zu verlassen. Das Land, das Bauern bearbeiteten, gehörte ihrem Adelsherrn, der selber nicht arbeiten durfte und nicht mal das Land verkaufen durfte. Bauern hatten wenig Anreize, mehr zu verdienen, weil das mehr verdiente Erntegut ohnehin nur dem Adelsherrn zuging. Der Stand des Adels bestimmte sich auch nicht übers Einkommen. Und in den Städten regelten die Stände, wer welche Berufe ausübte, welche Preise er verlangen durfte, wen man heiratete, wo man wohnte etc.

Dieses uralte System musste sich nun ändern. Lokaler Handel wurde durch kontinentalen oder sogar globalen Handel ersetzt, weil lokal durch Ernteausfall bedingt durchs Klima nicht mehr genug produziert wurde. Um mehr anbauen zu können, löste der Adel gemeinschaftlich genutztes Land für die Armen im Dorf auf. Die Armen zogen daraufhin in die Städte, wo sie für Geld arbeiteten.

Selbst der Glauben in Europa unterstütze diese Veränderung von Statik zu Dynamik. Vorher kaufte man sich Ablaßbriefe oder spendete Geld für Kirchenfenster, um sich den Himmelsplatz im nächsten Leben zu sichern (katholisch). Nun sagten die Protestanten, Ablaßbriefe seien eine Sünde und auf wem Gottes Segen ruhe, wer also unzweifelhaft in den Himmel käme, sei bereits in diesem Leben sichtbar: geht’s Dir äußerlich sehr gut, ruht Gottes Segen auf Dir!

Das alles führte von einem halbwegs nachhaltigen Umgang mit der Natur zu einem immer größeren Fokus auf immer mehr Produktion (man fand auch heraus, dass Klee die Böden mit Stickstoff anreichert, was gut ist für nachfolgende Anpflanzungen etc.). Mehr zu produzieren, machte Sinn, weil kontinentale (globale) Kunden immer zahlreicher sind als lokale. Aber auch die Gesellschaft öffnete ihre undurchlässigen Schichten: Kaufleute wurden mächtiger, Adel verarmte und musste selber arbeiten gehen, Bildung führte zum Aufstieg, die Stände verloren alle Macht. Der Kapitalismus begann in Europa und machte sich dann auf der ganzen Welt breit.

Bloms Buch will eigentlich nur zeigen, wie tiefgreifend die klimatisch bedingten Veränderungen sind, die diese Nebeneiszeit auslöste. Und will darauf hinweisen, dass eine ähnliche, klimatisch ebenso schwerwiegende Änderung auf uns zu kommt und was wir erwarten dürfen im Hinblick auf unsere Gesellschaft. Diese wird sich so sehr anpassen müssen, dass sie mit der heutigen Gesellschaft nicht mehr vergleichbar sein wird. Und auf dem Weg dahin, wird die Welt zerrissen und viele werden sterben (nicht umsonst gab es damals den Dreißigjährigen Krieg, der in Mitteleuropa fast die Hälfte der Menschen hinraffte).

Was Blom aber auch zeigt: als Antwort auf ungünstige klimatische Bedingungen ändert die Menschheit ihre sozialen und ökonomischen Systeme und neigt seitdem zur Überproduktion und Nicht-Nachhaltigkeit. Und das führt wiederum dazu, dass unser klimatisches System derzeit stark aus dem Ruder läuft und wir uns auf eine Neben-Warmzeit zubewegen.