Tschüss, Internet!

Mit Risiken kann man auf vier verschiedene Arten umgehen: verringern, versichern, vermeiden und ignorieren. Wenn man nicht über Risiken nachdenkt, endet man eigentlich bei ignorieren. So kann man mit einigen Risiken umgehen, sicher. Aber ignorieren ist nicht immer die beste Art und sollte vor allem keine Vorauswahl für den Umgang mit Risiken darstellen.

Wenn wir über Innovation reden, so habe ich das Gefühl, dass jede Form von kritischer Auseinandersetzung missachtet wird. Elon Musk rettet die Welt, das steht fest! Dass die Batterieherstellung für seinen Tesla so viel Energie verbrutzelt, dass ein Dieselfahrzeug acht Jahre lang betrieben werden kann, bevor beide einen vergleichbaren ökonomischen Fussabdruck hinterlassen - wehe, man sagt das1. Und wenn schon, ist doch besser, Musk versucht was, als gar nix zu machen, oder? Gute Absichten sollen also immer belohnt werden, aber dass die Straße zur Hölle mit guten Absichten gepflastert wurde, haben wir alle schon wieder vergessen.

Ähnlich ist das mit den großen drei Internetfirmen: Google, Facebook, Amazon. Die sind so toll! Seid einfach nur begeistert, wenn die was Neues präsentieren, aber kritisiert die bloss nicht. Denn Innovation ist gut per Definition! Und über Risiken wollen wir nicht sprechen, denn allein, darüber zu reden, heisst ja, dass man nur neidisch und kleingeistig ist.

Andre Staltz macht das trotzdem, in seinem wirklich lesenswerten Beitrag THE WEB BEGAN DYING IN 2014, HERE’S HOW2. Darin beschreibt er, wie sich das Internet verändert hat - von dem dezentralen Wissens- und Demokratietool, das wir alle mal darin sahen und unbedingt haben wollten, zu den drei auf Shopping ausgerichteten Silos, die wir heute haben (Google, Amazon, Facebook).

Ich suche nicht mehr bei Google, auf meinem Laptop und Smartphone, sondern bei DuckDuckGo3. Facebook habe ich zumindest von meinem Smartphone geschmissen (und beliefere es eigentlich nur noch per Twitter, niemals per Hand, und lese nur immer morgens, ob ich dort Nachrichten erhalten habe)4. Und bei Amazon recherchiere ich höchstens nach Büchern, kaufen tue ich alle meine Bücher in Buchläden. Eigentlich nur in einem: Prior und Mumpitz in der Berliner Dunckerstrasse 72. Dort werde ich gut beraten und kriege Tipps in die Breite (während Amazon kümmerliche Tipps in die Tiefe gibt, die nur für Lese-Amateure interessant sind).

Aber das reicht nicht, denn die großen Drei des Internets wollen mehr. Sie kriegen ihren Rachen nie voll, wie Andre Staltz ausführt:

The War for Net Neutrality in the USA won a battle in 2014, but in 2017 we are seeing a second battle which is more likely to be lost. Internet Service Providers (ISPs) are probably soon going to dictate what traffic can or cannot arrive at people’s end devices. GOOG-FB-AMZN traffic would be the most common, due to their popularity among internet users. Because of this market demand, ISPs will likely provide cheap plans with access to GOOG-FB-AMZN, while offering more expensive plans with full internet access. It is already a reality in Portugal.

Schöne neue Welt, die wir nie betreten durften: das Internet als dezentrales Wissens- und Demokratietool. Schade eigentlich. Wer kämpft eigentlich für den Erhalt dieser guten Idee? Wer macht eigentlich alle Gegner dieses Internets mundtot, das wir alle so gut finden, aber nie haben durften?

Die PR-Maschine aus Kalifornien wird das nicht für uns machen. Wir müssen es selber tun. Es wird Zeit, dass wir “Innovationen” aus Kalifornien nicht einfach nur bejubeln, sondern kritisch hinterfragen, und zwar alle. Wenn wir das nicht tun, können wir ja selber sehen, was beispielsweise aus dem Internet wird: wir dachten, mit dem Internet für alle bricht ein neues, demokratisches Zeitalter an. Und was haben wir gekriegt von unseren Innovationsvorbildern Facebook und Google? Das Ende der Demokratie, nicht den Anfang.

Es wird Zeit, dass wir das ändern, Leute.

  1. Ich bezweifle übrigens, dass der Vergleich ab dann besser wird für die Elektroautos. Die Batterien, die ich kenne, müssen vor dem Ablauf von 8 Jahren gewechselt werden. 

  2. Danke an @wowo101 für den Lese-Tip! 

  3. Persönliche Daten werden bei DuckDuckGo nicht gespeichert. Man wird nicht mit Werbung genervt. Und niemand dort versucht, Dein sonstiges Webverhalten zu erfassen oder Deine Mails zu durchforsten. 

  4. Facebook macht es einem aber auch einfach, es zu ignorieren: immer, wenn ich dort bin, finde ich was, was mich aufregt.